Manaus und der Regenwald 21.06. bis 30.06.2016

Gegen sieben Uhr düsen wir mit einem knallvollen

Bus ins Stadtzentrum. Diesmal hätten wir sogar ausdrücklich vorn aussteigen dürfen. Das Problem ist eher der fehlende Sichtkontakt mit Nick, der mit seiner Last hinten eingestiegen ist. Aber alles geht gut. Wir steigen an der richtigen Haltestelle aus, GPS sei Dank! Nachdem wir unser Gepäck im Hotel abgegeben haben, starten wir unseren Stadtrundgang. Manaus war Ende des 19. Jahrhunderts eine der reichsten Städte der Welt, ermöglicht durch den Kautschukboom. Die Unternehmer errichteten protzige Paläste, ließen sich Luxusartikel aus aller Welt kommen und finanzierten für ihre Stadt eine elektrische Straßenbahn und eine der ersten elektrischen Straßenbeleuchtungen Brasiliens. Manaus wurde auch das „Paris der Tropen“ genannt. Nachdem sich die Kautschukproduktion nach Asien verlagerte, verlor Manaus an Bedeutung. Es wurde zur Freihandelszone, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

In der Kathedrale Nossa Senora de Conceicao nehmen wir auf gepolsterten Kirchenbänken Platz. Das ist die wärmste Kirche, in der wir je waren. Wir schlagen uns weiter Richtung Rio Negro durch. Am Ufer liegen viele Flussschiffe, man kann sogar die Hängematten der Passagiere sehen, Kabinen gibt es keine. Die Leute wuseln herum. Es gibt jede Menge fliegende Händler, die aber ein „Nein“ akzeptieren und dann weiterziehen. Der Mercado Municipal wurde nach dem Vorbild der Pariser Markthallen errichtet, mit den von G. Eiffel vorgefertigten Eisenträgern aus Europa.

Nach dem Mittagsschlaf wollen wir noch etwas vom einstigen Flair Manaus erhaschen und schauen wir uns das Teatro Amazonico an. Wir bekommen sogar eine englischsprachige Führung. Fast die gesamten Baumaterialien wurden damals aus Europa importiert, nur das Beste und Teuerste. Wir sehen den dekadenten Ballsaal, die Logen, den Zuschauerraum mit den Samtstühlen, auch ein paar Kostüme. Im Theater finden fünfmal pro Woche Aufführungen statt, ausschließlich Gastspiele, keine brasilianischen Stücke. Als wir zurück zum Hotel gehen, bemerken wir, dass es ruhiger wird, weil alle Läden schließen. Leider finden wir auch kein Restaurant fürs Abendessen, alle geschlossen in unserer Umgebung. Wir suchen noch eine Weile erfolglos, dann kaufen wir wohlschmeckende Fleischspieße bei einem Straßengrill, bevor wir verhungern.

Wir finden heraus, dass der städtische Nahverkehr anscheinend farbcodiert ist. Jetzt finden wir auch die richtige Haltestelle für die Abfahrt. Wir fahren etwa eine halbe Stunde quer durch die Stadt bis zur Endhaltestelle, laufen zur Marina, wo die Wassertaxis losfahren. Eines bringt uns zum Kautschuk-Museum. Wir düsen mit 30 km/h durch den Rio Negro. Es ist gerade das Ende der Regenzeit, der Wasserstand ist so hoch, dass die Bäume teilweise bis zur Krone im Wasser stehen. Im Kautschukmuseum beginnt gerade eine Führung, der wir uns anschließen. Die Gewinnung des Latex-Saftes wird demonstriert. Es erinnert und ein wenig an das Harzsammeln bei uns. Der Saft läuft in einen Becher. Ein großer Baum sondert pro Tag etwa drei Becher Saft ab. Unsere Kinder trocknen einen kleinen Klecks Saft auf ihrer Hand und formen daraus einen winzigen Gummiball. Im Großformat werden Stöcke immer wieder mit dem Saft übergossen und über heißem Rauch getrocknet bis ein 30 bis 50 kg schwerer Klumpen entstanden ist. Die Lebensbedingungen der Arbeiter grenzten schon an Sklaverei. Das Haus des Besitzers wurde für einen Filmdreh wieder aufgebaut und prächtig eingerichtet, z. B. Vasen aus China. Sophie  sagt: „Na dann werden sie aber nicht lange halten!“ Außerdem Kristallgläser und europäisches Porzellan, witzigerweise auch Möbel aus Tropenholz, welches zur Verarbeitung nach Europa geschickt wurde. Unsere Kinder überbrücken die Wartezeit auf das Wassertaxi zur Rückkehr mit Herumklettern auf einem alten Baumstamm. Zum Ausklang flanieren wir die Strandpromenade von Manaus entlang und fühlen uns wie am Meer. Nur dass das Wasser orange-rötlich ist, Schwarzwasser eben, alles klar? Es gibt ein Amphitheater, Beachvolleyballplätze, Strandbars und auf der anderen Straßenseite Luxusappartement-Hochhäuser. Trotzdem ist Manaus alles andere als idyllisch.

Heute ist es endlich soweit, wir reisen in den Dschungel. Wir fahren Minibus, Boot, Minibus und noch mal Boot, bis wir nach drei abwechslungsreichen Stunden unser Ziel, die Dolphin-Lodge erreichen. Auf der Fahrt sehen wir kurz hinter Manaus den Zusammenfluss von Rio Negro (Schwarzwasser) und Rio Solimoes (gelbbraunes Weißwasser). Die Wässer vermischen sich auf den nächsten Flusskilometern noch nicht, aufgrund unterschiedlicher Dichte, Temperatur und Fließgeschwindigkeit. Ab dem Encontro das Aguas heißt der Amazonas wirklich Amazonas. Dann sehen wir Mimosen, Naturspielzeug! Unsere Kinder lassen alle Blätter im Umkreis zusammenklappen. Beeindruckend groß waren auch die Blätter der Riesenseerose Victoria regia. Die Straßen werden immer schlechter und sind am Ende ziemlich verschlammt. Zum Glück mussten wir nicht schieben. Pünktlich zum Mittag sind wir da und werden mit einem Begrüßungsdrink empfangen.

Am Nachmittag unternehmen wir unsere erste Bootstour, um die Umgebung kennenzulernen. Wir sehen ein paar Vögel, auch rote Aras. Auch die rosa Flussdelfine zeigen sich kurz (sie leben hier wild und frei und werden nicht durch Fütterung für Touristen angelockt, wie andernorts).

Bei einem Spaziergang durch den Dschungel liegt der Focus auf Arzneipflanzen und ein bisschen Überlebens-know-how. Wir riechen am Wick-Baum, dessen Rinde nach Campher duftet, kosten die Rinde des Moskito-Baums, die Chinin enthält und gallebitter ist und fürchten uns vor den Stacheln des Maraja-Baums, die als Pfeilspitzen für Blasrohre der Indios dienen. Die Brettwurzeln des Sama-Uma dienen als Dschungeltelefon. Der Schlag mit der Machete darauf ist weit im Umkreis zu hören. Dreimal schlagen ist ein Hilferuf, das mobilisiert die Anwohner zu einer Rettungsaktion. Von den 2 cm großen Riesenameisen haben wir uns nicht beißen lassen. Das ist sehr schmerzhaft und wird bei manchen Indio-Völkern als rituelle Mutprobe eingesetzt. Interessant war die Dschungelbanane, die den Metabolismus reduziert und auf diese Weise Überlebenszeit schafft z.B. nach Schlangenbissen. Den Zitteraal in einem kleinen Nebenarm des Flusses wollte niemand anfassen. Das könnte schließlich tödlich enden. Auf einer späteren Tour reizen wir ihn solange bis er knallend einen Stromstoß abgibt. Unsere Dschungelführer stochern in jedem kleinen Loch, ob der Bewohner da ist. So machen wir die Bekanntschaft mit Vogelspinnen und der Skorpion-Spinne, das Gürteltier ist nicht zu Haus. Es ist, wie 80% aller Urwald-Bewohner, nachtaktiv. Im Dschungel-Supermarkt gab es Fächer gegen die Moskitos, extra für uns geflochten. Eric bekommt einen Löffel aus einem Palmblattstiel, der sofort als Machete verwendet wird. Eric sagt: „Ich möchte auch `ne Machete zum Geburtstag, ja, da kann ich was erschlagen.“

 

Beim Piranha-Angeln sind wir ziemlich erfolgreich. Als Köder dient rohes Fleisch. Nick fängt den ersten, Isa später auch noch zwei, und zwar rotbäuchige Piranhas, alle recht klein, aber mit gesundem Gebiss. Beim zweiten Angelausflug einige Tage später, wollen unsere Kinder auch ihr Glück versuchen. Sie sind so unglaublich stolz, wenn sie einen Fisch am Haken haben. Hier braucht man beim Angeln auch nicht leise zu sein.

Der Besuch bei einem riesigen, alten Sama-Uma ist der Auftakt zu unserer Affentour. Wir sehen Kapuziner, Brüllaffen und Saki-Affen, jedoch nur in großer Entfernung in Baumwipfeln und oft genug hinter Blättern versteckt, ganz anders als im Zoo. Man sieht sie nur, wenn sie sich gerade bewegen. Sie antworten jedoch auf die Laute, die unsere Guides machen. Das Geräusch der Brüllaffen ist beeindruckend. Es erinnert ein wenig an die Störgeräusche der Kurzwelle.

 

Nach dem Abendessen steigen wir erneut ins Boot. Eine Nachtfahrt, um Kaimane zu sehen. Im Wasser sehen wir einen schlanken Fisch auf unser Boot zu schwimmen, wir freuen uns, dass wir doch so viel Wildlife zu sehen kriegen. Doch da springt der Fisch in unser Boot und zappelt zu unseren Füßen herum. Sophie und Isa geben ihrem Schreck lauthals Ausdruck und stecken das ganze Boot an. Es handelt sich um einen Monkey-Fisch, der bis zu 2 m hochspringen kann und auch Schmetterlinge frisst. Den gibt es morgen zu Mittag.  

Unser Guide fängt am Ufer einen kleinen Kaiman und erklärt uns die anatomischen Besonderheiten und warum sie früher gejagt wurden. Dann fahren wir noch eine Weile am Ufer entlang, wo man die Kaiman-Augen im Licht der Taschenlampe funkeln sieht. So viele waren es dann doch nicht. Unser Gekreische hat sie wohl verjagt. Die nächtlichen Geräusche sind wirklich laut, vor allem die Zikaden. Gegen morgen ruft irgendwo ein Brüllaffe.

Sophie hat plötzlich gar keine Angst mehr vor Insekten. Ständig hat sie ein anderes auf ihrer Hand. Das ist die unglaubliche Vorbildwirkung einer mitreisenden Biologin Nancy aus England. Jeden Abend hakt Sophie auf ihrer Liste die Tiere ab, die sie gesehen hat. Zu verlangen alle zu zeichnen wäre doch zu anspruchsvoll.

 

Wir kosten die erfrischenden Bonbons aus der Mari-Mari-Schote, die aussieht wie eine übergroße Raupe Nimmersatt. Nach einem heftigen Gewitter mit Windböen, die Dschungelbäume umstürzen lassen können, ist der Strom in der Lodge ausgefallen. Der Generator springt ein. Alle Stromkreise sind doppelt verlegt, für solche Fälle. Nur leider hat unser Zimmer nur eine Glühbirne. Die wird nun immer in die andere Fassung geschraubt, wenn der Generator läuft. Man hätte auch eine aus einem unbenutzten Zimmer leihen können…

 

Wir besuchen eine einheimische Familie, die ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Maniokmehl verdient. Außerdem betreiben sie eine kleine Selbstversorger-Landwirtschaft. Ihr Land können sie nicht illegal nach und nach ausdehnen. Die Flächen werden satellitenüberwacht. Wir sind erstaunt über Kühlschrank und Flachbildfernseher. Seit etwa drei Jahren gibt es hier Elektrizität aus Brasiliens Stromnetz. Jede kleine Behausung ist angeschlossen. Der Fluss ist recht dicht bebaut und besiedelt. Alle hundert Meter gibt es ein Haus mit Bootssteg und Boot. Die Schule können wir auch besichtigen. Seit der kürzlich eingeführten Schulpflicht wurde sie vergrößert. Der Staat sorgt für die Verpflegung der Schüler und auch für den Transport der 600 Schüler aus einem Umkreis von zwei Stunden Fahrt. Vormittags werden die Grundschüler unterrichtet, nachmittags die älteren Schüler und am Abend ist Abendschule. Wir schauen in moderne Klassenzimmer. Sophie beobachtet interessiert die Schülerinnen ihres Alters und stellt fest:„Die können das ja viel besser als ich!“ Am liebsten wäre sie gleich dageblieben.

Natürlich gibt es auch ein Fußballfeld, wir sind schließlich in Brasilien! Hier werden Kreisligaspiele ausgetragen. Nebenan befindet sich das Hospital, welches hauptsächlich von einer Krankenschwester geführt wird. Nur zweimal im Monat kommt der Arzt vorbei.

Wir haben auch einen Bastelnachmittag veranstaltet. Die einzelnen Teile der Palmblätter sind so steif und glatt wie Plastikstreifen. Es macht uns richtig Spaß. Wir starten mit einer Krone, steigern uns zu Grashüpfern und enden schließlich mit einem Fächer. Unsere Kinder spielen anschließend „Verkaufen“.

 

Nach 8 Tagen Urwald und insgesamt drei Wochen Rundreise sind wir am 30.06.2016 doch sehr froh, wieder zu Hause auf unserer MANGO anzukommen. Wir haben richtig viel erlebt und Unmengen (2500) Fotos zu sortieren.

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Kommentare: 2
  • #1

    Liane und Bernhard (Donnerstag, 28 Juli 2016 10:57)

    Hallo Ihr Lieben, nun wollt Ihr dieses riesige Land schon wieder verlassen. Per TV haben wir Euch auf einigen Wegen begleidet. Eure Reiseberichte und Bilder sind wieder super. Wir staunen über Eure kreativen Bastellarbeiten. Nachdem ich mich im Urlaub überwand eine Schlange anzufassen u. um den Hals zulegen kann ich Isa´s Mut mit dem Aligator nachvollziehen. Was habt Ihr mit den geangelten Piranhas gemacht? Eurer Reaktion mit dem plötzlich anwesenden Monky-Fisch hätte ich mich höchstwahrscheinlich angeschlossen. Für EureWeiterfahrt wünschen wir Euch alles Gute und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel.
    Eure Eltern u. Großeltern Liane u. Bernhard













  • #2

    Elke und Rolf (Mittwoch, 03 August 2016 18:55)

    Hallo wir grüßen Euch ganz lieb und wieder habt ihr viel erlebt,gesehen und viele Eindrücke auch uns vermittelt.Für die Kinder war es sicherlich ein Abenteuer und sie werden es nicht vergessen.Wer hat schon solche Eltern die einem das erleben lassen!!!Haben heute mit den Ilfeldern gesprochen,und sie erzählten uns das Ihr schon wieder auf See seit an der Küste entlang.Es ist sicherlich jetzt schön warm bei Euch.wir waren mit dem Wohnmobil und den Kindern von Heike ein paar Tage an der Ostsee,für sie war es auch ein Erlebnis.Und nun Last Euch wie immer umarmen und drücken und weiterhin eine sichere und gute Fahrt und auf zu neuen Entdeckungen.